«Kommunikation wird immer mehr zu einer Kernkompetenz»

Seit Anfang Mai leitet Rubén Rodriguez Startz das Weiterbildungszentrum (WBZ) der Fachhochschule St.Gallen. Im Interview erzählt er, welche Anforderungen Weiterbildungen heute und in Zukunft erfüllen müssen, wie sich die Digitalisierung auswirkt und welche Kompetenzen immer wichtiger werden. Und er gibt Tipps, wie man für sich die richtige Weiterbildung auswählt.

Herr Rodriguez Startz, wie haben Sie sich am Weiterbildungszentrum und in der FHS St.Gallen eingelebt?

Rubén Rodriguez Startz: Sehr gut, danke. Zumal mein Vorgänger Reto Eugster mich ausführlich eingeführt hat. Das war sehr hilfreich. Zwar kannte ich natürlich die Prozesse und Bestandteile von Weiterbildungen, die Ausrichtung ist hier aber anders. Ausserdem schätze ich die hiesige Unternehmenskultur sehr.

Was meinen Sie damit?

Rodriguez Startz: Die Unternehmenskultur hier ist sehr wertschätzend und lässt viel Raum für Innovationen. So können wir flexibel sein, schnell reagieren und, falls dies erforderlich ist, in drei Monaten ein Weiterbildungsangebot entwickeln. Nichtsdestotrotz erarbeiten wir die Kriterien fundiert und wägen gut ab, ob das Angebot sinnvoll ist. Möglich macht das ein kompetentes und motiviertes Team. Das WBZ ist gut und breit aufgestellt. Unsere Themen sind interdisziplinär ausgerichtet, weil wir eng mit den Instituten zusammenarbeiten. Den Teilnehmenden eröffnen sich dadurch individualisierte Weiterbildungswege.

Und was bedeutet Weiterbildung für Sie?

Rodriguez Startz: Weiterbildung ist für mich die fundierte Auseinandersetzung mit Themen, die mich beruflich beschäftigen. Das geschieht anhand von Methoden und im Austausch mit den Dozierenden und den Teilnehmenden. In diesem Prozess eigne ich mir neue Kompetenzen und Fähigkeiten an.

Welche Anforderungen müssen Weiterbildungen erfüllen?

Rodriguez Startz: Die Jobs haben sich durch die technologische Entwicklung in den vergangenen Jahren immer schneller verändert. Die Herausforderungen an die Arbeitswelt unterliegen immer wieder neuen Anforderungen. Lösungen für die Bewältigung unserer Aufgaben müssen deshalb ebenfalls immer schneller entwickelt werden. Das «alte» angeeignete Wissen ist zwar nicht unbrauchbar. Was wir in der Grundausbildung lernen ist wichtig. Aber vieles darum herum muss aktualisiert werden. Die Weiterbildung muss darauf reagieren. Unser Vorteil: Wir haben einerseits die wissenschaftlichen Methoden, andererseits sind wir stark praxisorientiert, da wir eng mit den Unternehmen und Institutionen zusammenarbeiten. Gerade dort entsteht ja der Bedarf.

Was bedeutet der technologische Wandel fürs WBZ? Werden die Angebote jetzt alle digital?

Rodriguez Startz: Natürlich muss das WBZ auf den technologischen Wandel reagieren. Zumal er sich eher noch beschleunigt. Unsere Kernkompetenz ist aber die Kommunikation und damit auch der Präsenzunterricht. Letztlich gilt: Die Technologien müssen den Teilnehmenden nützen. Sie sind Mittel zum Zweck. Wir müssen uns überlegen, was wir vermitteln wollen und welche Abgangskompetenzen die Teilnehmenden haben sollen. Und mit welchen digitalen Plattformen, Apps, usw. sie ihre Lernziele am besten erreichen können. So könnten sie beispielsweise Lerninhalte in digitalen Online-Kursen erarbeiten, die dann im Präsenzunterricht vertieft werden. Kürzlich haben wir deshalb die Innovationsinitiative vorgestellt.

Worum geht es bei dieser?

Rodriguez Startz: Wir möchten Dozierende dazu anregen, neue, moderne Lernkonzepte für die Module zu entwickeln. Zum Beispiel könnte eine Lernkontrolle auch digital über die Teilnehmenden laufen. Die Digitalisierung ist längst Gegenwart. Aber wir wollen nicht alles digital ausrichten. Das ist nicht unsere Identität.

Welche Weiterbildungen werden wir in Zukunft brauchen?

Rodriguez Startz: Das hängt davon ab, wo wir arbeiten. Und von der Entwicklung der Berufsprofile. Je nach dem ist die Technologie der Treiber, der die Anforderungen definiert, oder der Wandel im Umgang miteinander. Das hat auch mit unserem veränderten Medienverhalten zu tun. Bereits heute werden kommunikative Kompetenzen immer wichtiger, das wird sich in Zukunft noch verstärken.

Inwiefern?

Rodriguez Startz: Nehmen wir die Management-Berufe. Bei ihnen dreht sich etwa die Hälfte um Fachwissen, Analysen und Strategien. Die andere Hälfte besteht darin, wie man beispielsweise die Strategie kommuniziert. Oder wie man mit Mitarbeitenden umgeht. In der Sozialen Arbeit war der kommunikative Aspekt immer wichtig. Themen wie Coaching, Beratung und Mediation machen hier den Kern der Arbeit aus. Kommunikation und der Umgang miteinander wird immer mehr zu einer Kernkompetenz. Und zwar überall. Im Gesundheitsbereich bieten wir ethische und motivierende Gesprächsführung, wie auch verbale und nonverbale Deeskalation integriert in einigen Programmen an.

Wie plant man eine gute Weiterbildung?

Rodriguez Startz: Zuerst müssen die spezifischen Anforderungen identifiziert werden. Wir haben ein grosses Kooperationsnetzwerk mit Unternehmen, Institutionen und sozialen Einrichtungen. Sie tragen uns ihren Bedarf vor, den wir mit den Fachpersonen in ein Konzept giessen und daraus eine Weiterbildung entwickeln. Hier gibt es klare Prozesse. Daneben verfolgen wir auch eine strategische Perspektive.

Das heisst?

Rodriguez Startz: Wir überlegen, wie sich das WBZ in Zukunft ausrichten soll und welche Weiterbildungslücken wir schliessen wollen. Stichwort Internationalisierung. Wir bedienen heute vor allem den regionalen Arbeitsmarkt. Aber regionale Unternehmen sind oft auch international tätig. Den Aspekt Internationalisierung möchten wir deshalb in unsere Angebote einbringen. Ein anderes strategisches Thema ist für uns die gesellschaftliche Verantwortung. Denn gerade im Management und im Innovations- oder Technikbereich ist sie immer noch oft kein zentrales Thema. Letztlich geht es bei der Planung von Weiterbildungen auch um unser Bildungsverständnis. Die Teilnehmenden sollen sich nicht nur funktionale Kompetenzen aneignen, die sie bei ihrer Arbeit anwenden können. Wichtig ist auch, dass durch die Auseinandersetzung mit den Lernthemen und den Austausch eine persönliche Entwicklung stattfinden kann.

Und wie wählt man die richtige Weiterbildung aus?

Rodriguez Startz: Dazu gibt es viele Ratgeber. Mein persönlicher Tipp: 1. Schauen Sie, was es zu den Themen gibt, die Sie interessieren. 2. Wägen Sie ab, ob Sie sich mit dem Bildungsanbieter identifizieren können, ob die Weiterbildung Ihre Erwartung decken kann. 3. Suchen sie den persönlichen Kontakt, entweder an einem Informationsanlass oder bei einem Beratungsgespräch

Und welche Weiterbildung, die es bisher noch nicht gibt, wünschen Sie sich?

Rodriguez Startz: Etwas wie einen übergeordneten, nicht direkt funktional ausgerichteten Lehrgang, der den gesellschaftlichen Wandel thematisiert. In diesem würde man sich vertieft mit den gesellschaftlichen und medialen Veränderungen auseinandersetzen. Aber auch mit dem Wandel des Politikverständnisses und mit internationalen Umbrüchen, die immer wieder Unsicherheit für die eigene Situation bringen, in der man sich befindet. Das Ziel wäre, diese Umwälzungen zu reflektieren und für sich selber eine eigene Position zu entwickeln. Diese wäre dann natürlich individuell, d.h. für jeden anders aber vielleicht gerade deshalb für die Mitstudierenden auch spannend. Man nähme sich die Zeit, sich über die eigene Position im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft und Arbeitswelt klar zu werden.

Finden auch Sie die richtige Weiterbildung. Das WBZ bietet rund 150 Weiterbildungsmaster, Zertifikatslehrgänge und Seminare an. Der nächste Informationsabend ist am Montag, 10. September, ab 17.30 Uhr. Programm und Anmeldung.

((Das Interview mit Rubén Rodriguez Startz führte Andrea Sterchi, Kommunikationsbeauftragte FHS St.Gallen.))