«Für die Generation Z ist der Preis meist das Wichtigste»

Die Generation Z ist es gewohnt, alltägliche Dinge wie Einzahlungen oder Einkäufe orts- und zeitunabhängig per Handy zu erledigen. Welche Erwartungen stellen diese jungen Menschen an ihre Krankenkasse bezüglich digitaler Interaktion? In seiner Masterarbeit hat sich Luca Würth, Absolvent des MAS in Business Process Engineering an der FHS St.Gallen, mit den Bedürfnissen der Generation Z auseinandergesetzt und Handlungsvorschläge für Versicherer formuliert.  Als ehemaliger Business Consultant für einen Softwarehersteller hat er mehrere Krankenkassen auf ihrem Weg zur Digitalisierung unterstützt. Seit kurzem arbeitet er als IT-Projektleiter bei der Swica. Im Interview spricht Luca Würth darüber, nach welchen Kriterien die Generation Z ihre Krankenversicherung auswählt, welche Herausforderungen sich durch das hohe Gesundheitsbewusstsein dieser jungen Menschen ergeben und warum es sich für Krankenversicherungen nicht lohnt, nur auf diese Generation zu setzen.

Herr Würth, die Generation Z gilt als materialistisch, luxusverwöhnt und autoritätskritisch. Interessieren sich diese jungen Menschen überhaupt für Gesundheit, geschweige denn für Krankenversicherungen?

Die Experteninterviews, die ich geführt habe, machen deutlich, dass die Generation Z kein Interesse am Thema Krankenversicherung zeigt. Zur Generation Z zählen Personen ab Jahrgang 1995. In der Regel fühlt man sich im Alter von unter 25 Jahren noch fit und gesund. Die Interaktion mit der Kasse beschränkt sich aufs Bezahlen der Rechnung. Deshalb ist der Preis für diese Kundschaft meist das wichtigste Kriterium bei der Wahl ihrer Krankenversicherung. Dies, sofern nicht einfach die Eltern den Entscheid übernehmen. Die Servicequalität gewinnt erst dann an Bedeutung, wenn zum Beispiel der erste Spitalaufenthalt ansteht.

Welche Ansprüche stellt die Generation Z – abgesehen vom günstigen Preis – an ihre Krankenversicherung?

Die Generation Z besteht aus Digital Natives. Für diese ist Flexibilität wichtig. Digital Natives möchten sich orts- und zeitunabhängig mit ihrer Versicherung befassen, sei es am PC, am Tablet oder am Handy. Das setzt digitale Interaktionsmöglichkeiten voraus. Zum Beispiel in Form von Apps oder Self-Service-Portalen. Idealerweise möchten sich die Personen der Generation Z erst mit dem Thema Krankenversicherung und Zusatzversicherung auseinandersetzen, wenn sie diese Versicherungen auch wirklich benötigen. Dann wünschen sie aber sofortige Hilfe mit einer exzellenten Kundenbetreuung und vielen digitalen Services.  

Können die Krankenkassen denn durch digitale Produkte und die damit verbundenen automatisierten Prozesse nicht auch Kosten reduzieren?

Krankenkassen lancieren digitale Produkte wie Apps nicht nur, um alles zu automatisieren und damit Verwaltungskosten zu sparen. Es geht mehr darum, damit auf ein aktuelles Bedürfnis zu reagieren, neue Kundinnen und Kunden für sich zu gewinnen und möglichst über den ganzen Lebensweg zu begleiten. Zwar lassen sich durch ein digitales Produkt letztlich Prozesse automatisieren und Verwaltungskosten reduzieren. Bis es soweit ist, muss die Versicherung aber auch hohe IT-Investitionen tätigen und verdient mit der App allein kein Geld.

In welchen Fällen wünscht selbst die digital affine Generation Z, von einer realen Person beraten zu werden?

Immer dann, wenn es um komplexe Fälle geht. Zum Beispiel, wenn in den Ferien in Vietnam plötzlich gesundheitliche Beschwerden auftreten oder wenn eine seltene Operation ansteht. In solchen Situationen schätzen Kundinnen und Kunden unabhängig ihres Alters eine persönliche Beratung. Dasselbe gilt für Versicherungsabschlüsse. Vielleicht informiert man sich online, möchte dann aber doch noch gewisse Unsicherheiten in einem direkten Gespräch klären.

In Ihrer Masterarbeit widmen Sie sich auch dem Megatrend Gesundheit. Welche Rolle spielt dieser für die Generation Z?

Die Trendforschung zeigt, dass sich die Generation Z mehr mit dem Thema Gesundheit auseinandersetzt als die Generation davor. Sie weist ein höheres Interesse an Ernährung und Bewegung auf. Mit Bewegung ist nicht nur Fitness gemeint, sondern insbesondere auch die Aktivität an der frischen Luft: zum Beispiel wandern. Auch steigt die Generation Z wieder häufiger aufs Velo.

Das ist doch gut für die Krankenkasse.

Es hat Vor- und Nachteile. Einerseits lebt die Generation Z durch dieses Bewusstsein gesünder womit sich das Risiko für Krankheiten reduziert. Auf der anderen Seite ist diese Personengruppe aber kritischer gegenüber Ärztinnen und Ärzten. Man verfügt dank vorgängiger Internetrecherche bereits über ein hohes Wissen und holt sich öfter eine Zweitmeinung ein. Das ist ein Kostentreiber. Auch entstehen neue Bedürfnisse: Man möchte beispielsweise fürs Velofahren belohnt werden – analog zum Fitnessabo, das viele Krankenkasse mitfinanzieren.

Sie haben anhand der geführten Experteninterviews Handlungsvorschläge für Krankenversicherungen formuliert. Diese zeigen auf, wie Personen der Generation Z erreicht werden könnten und wie deren Bedürfnisse nach einem hohen Automatisierungsgrad berücksichtigt werden sollen. Was ist dabei herausgekommen?

Um die Aufmerksamkeit der Generation Z zu gewinnen, sind folgende Massnahmen denkbar: Krankenkassen können beispielsweise Kooperationen mit einem Insurance-Technology-Unternehmen eingehen, ein neues digitales Zusatzversicherungsprodukt anbieten oder einen neuen digitalen Verkaufskanal schaffen, auf dem kostenlose Gesundheitsservices angeboten und Produktangebote platziert werden. Letztere sollen zwar bedürfnisgerecht, aber auch wirtschaftlich sein. Es hat sich herauskristallisiert, dass viele Wünsche der Versicherten nicht realisierbar sind. Die Krankenkasse täte sich keinen Gefallen mit Produktbaukastensystemen, bei denen der Versicherte das Produkte genau auf sein Verhalten abstimmen kann und dann zum Beispiel auch fürs Velofahren einen Beitrag erhält. Dann würde nur noch bezogen, was auch eintritt. Aus Sicht der Versicherung sind jedoch Produkte, die auf einer geringen Eintrittswahrscheinlichkeit basieren, wirtschaftlicher und deshalb lukrativer.

Lohnt es sich denn für Krankenkassen überhaupt, in die Generation Z zu investieren?

Ausschliesslich auf die Generation Z zu setzen, macht keinen Sinn – gerade, weil für diese der Preis wichtiger ist als die Servicequalität. Es ist auch nicht so, dass die Krankenkassen einen Anreiz hätten, möglichst junge und gesunde Personen zu versichern. Denn das 1996 in Kraft getretene Krankenversicherungsgesetz sieht einen Risikoausgleich vor. So zahlt eine Krankenkasse für jede Person, die zum Beispiel aufgrund ihres Alters voraussichtlich weniger Gesundheitskosten verursacht, einen Betrag in den allgemeinen Topf. Für jeden Versicherten mit einem höheren Risiko bekommt die Kasse Geld. Das gleicht das Risiko künftiger Kosten unter den Krankenkassen aufgrund der unterschiedlichen Versichertenstruktur aus.

Was passiert aus den Erkenntnissen Ihrer Masterarbeit? Haben diese einen weiterführenden Nutzen im Unternehmen, in dem Sie arbeiten?

Als IT-Projektleiter bei einer grösseren Schweizer Krankenversicherung kann ich diese Erkenntnisse auf aktuelle Projekte anwenden. Auch habe ich mit meiner Masterarbeit eine Grundlage, anhand der ich für oder gegen ein neues Projektvorhaben argumentieren kann.