«Wir fragen uns immer nach dem wahren Kundennutzen»

Was braucht es, damit aus einer guten Idee ein innovatives Geschäftsmodell entsteht? In solchen Fragen kennt sich Andreas Peter aus. Der 43-Jährige Designer ist seit mehreren Jahren am Institut für Innovation, Design und Engineering an der FHS St.Gallen tätig und leitet neu den Masterstudiengang Corporate Innovation Management. Nebenbei engagiert er sich in unterschiedlichen Firmen und steht somit weiterhin mit einem Fuss in der Praxis. Im Interview spricht Andreas Peter über Prototypen, übers Lego spielen und über blinde Flecken.

Herr Peter, viele Unternehmen behaupten von sich, innovativ zu sein. Woran erkennt man, was wirklich eine Innovation ist?

Aus theoretischer Sicht ist eine Innovation eine neuartige Idee, aus der eine Erfindung entsteht, die sich schliesslich im Markt oder der Gesellschaft verbreitet und etwas bewirkt. Die zentrale Frage ist immer: Existiert wirklich ein – offenkundiges oder verborgenes – Bedürfnis beziehungsweise Problem, das auf neue Art und Weise adressiert oder gelöst wird? Denn es gibt durchaus Scheininnovationen.

Zum Beispiel?

Vor einigen Jahren wurde eine Küchenmaschine auf den Markt gebracht, die Fruchtsaftbeutel in ein Glas auspresste. Offenbar versuchte der Hersteller, das Nespresso-Kapselsystem auf Fruchtsäfte umzumünzen. Das Bedürfnis danach war verschwindend klein. Die Nutzerinnen und Nutzer entdeckten, dass sie die Beutel auch ohne Maschine ausdrücken oder aber gleich das Konkurrenzprodukt in Flaschen kaufen konnten, das erst noch weniger Abfall produzierte. Ein solches Produkt ist also nicht wirklich innovativ. In unseren Lehrgängen steht deshalb immer die Suche nach dem wahren Kundennutzen bei der Entwicklung einer Innovation im Fokus.

Wie gelingt das?

Ein zentraler Punkt in unseren Lehrgängen ist die Design-getriebene Innovationsentwicklung: In diesem Rahmen arbeiten wir mit Methoden, Strategien und Prozessen, die es ermöglichen, die Sichtweise der Nutzerinnen und Nutzer einzunehmen, allfällige Problemstellungen frühzeitig zu erkennen und in der Entwicklung unterschiedlicher Arten von Prototypen laufend zu testen.

Wie man hört, spielen die Teilnehmenden im Unterricht mit Lego.

Das stimmt. Wir arbeiten unter anderem mit Lego Serious Play, das eigens für die Unternehmenswelt entwickelt worden ist und komplexe Zusammenhänge einfach und verständlich aufzeigen kann. Bei der Innovationsentwicklung geht es oft darum, ein physisches Produkt mit einer Dienstleistung zu verknüpfen. Mit Legobausteinen lassen sich entsprechende Strategien und Abläufe darstellen, simulieren und beliebig verändern  – Abstraktes und Implizites wird damit diskutierbarer und formbarer.

Auch Zeichnen ist eine Methode, die im Studiengang zum Einsatz kommt. Was, wenn jemand gar nicht gut zeichnen kann?

Wir unterrichten Zeichnen explizit für Nichtzeichner. Ziel ist es, den Teilnehmern die Hemmung davor zu nehmen. Uns geht es nicht darum, aus jemandem einen Leonardo Da Vinci zu machen. Vielmehr sollen die Studierenden ein einfaches Werkzeug in die Hand bekommen, um sich das visuelle Denken wieder zu Nutze machen zu können – eine mächtige Fähigkeit unseres Hirns, die vielen abhanden gekommen ist, da wir gelernt haben, uns gerade im beruflichen Umfeld primär in verbaler Form auszudrücken.

Kann man überhaupt lernen, innovativ zu sein oder hat das nicht vielmehr etwas mit einer natürlichen Begabung zu tun?

Es hilft sicher, wenn jemand die Eigenschaft besitzt, Bestehendes in Frage zu stellen und nach besseren Lösungen zu suchen. In den Lehrgängen, aus denen der MAS in Corporate Innovation Management besteht, geht es aber um mehr: Zum Beispiel darum, wie man den Innovationsprozess im Unternehmen erfolgreich lanciert und umsetzt. Die Teilnehmenden nehmen verschiedenen Perspektiven ein: ob jene des Managements, das von oben lenkt, oder jene der Projektverantwortlichen, die von unten entwickeln. Und sie setzten das Gelernte im CAS Innovationsprojekt direkt in die Praxis um. Zentral ist auch, dass man nicht nur die eigene Innovationsfähigkeit weiterentwickelt, sondern auch die anderen im Unternehmen dazu motivieren und befähigen kann, innovativ zu sein.

Sind die Absolventinnen und Absolvent nach diesem Studiengang in der Lage, aus jeder Idee ein innovatives Produkt entstehen zu lassen?

Eine Erfolgsgarantie gibt es nie. Manchmal entstehen im Innovationsprozess blinde Flecken. Selbst grosse Unternehmen sind davor nicht gefeit: zum Beispiel Google mit seinen Datenbrillen, den Google Glasses. Diese haben nicht wie erhofft einen Durchbruch erlebt, sondern sind auf Widerstand gestossen, weil sie das Umfeld der Nutzenden als Eingriff in die Privatsphäre erlebte. Wichtig ist, mit Fehlern klug umzugehen und eine Lernkultur zu etablieren. Eine Firma, die keine Experimente und damit auch Fehler zulässt, innoviert nicht. Ein gutes Innovationsmanagement verhindert jedoch manch einen Misserfolg und erhöht die Erfolgschancen. Das entsprechende Rüstzeug wollen wir den Teilnehmenden mit auf den Weg geben.

 

Zur Person

Nach einer Banklehre als Erstausbildung absolvierte Andreas Peter den gestalterischen Vorkurs und anschliessend ein Studium in visueller Gestaltung an der Zürcher Hochschule der Künste. Gleichzeitig studierte er Business Communications in den USA und promovierte 2015 in Grossbritannien im Bereich der Design-getriebenen Innovationsentwicklung. Der 43-Jährige hat mehrere Start-ups mitgegründet und ist teils noch darin engagiert. Seit 2012 ist er am Institut für Innovation, Design und Engineering IDEE-FHS an der FHS St.Gallen tätig. Neu leitet er dort den Masterstudiengang Corporate Innovation Management. Seine Freizeit verbringt der Vater eines zweijährigen Sohnes gerne mit der Familie.