«Ein kollegialer und kooperativer Umgang ist mir wichtig»

Seit Anfang Mai ist Johannes Holdener Vorsitzender der Bankleitung der Raiffeisenbank St. Gallen. In dieser Funktion trägt er die Verantwortung für 100 Mitarbeitende. Nebst seinem Vollzeitjob schreibt der Absolvent des Executive Master of Business Administration an der FHS St.Gallen derzeit seine Masterarbeit. Im Interview spricht der 49-Jährige über seinen Führungsstil, über den Imageverlust der Bankbranche und über gemeinnützige Arbeit.

Herr Holdener, Sie haben vor zwei Monaten die neue Stelle als Vorsitzender der Bankleitung der Raiffeisenbank St.Gallen angetreten. Wann beginnt bei Ihnen ein typischer Arbeitstag und wie sieht dieser aus?

Meist bin ich um 7 Uhr im Büro. Meine Arbeit ist enorm vielseitig. Nebst Telefonkonferenzen und vielen Sitzungen gehören zum Beispiel auch Kreditfallbesprechungen und Debriefings nach Marketinganlässen dazu. Zudem stehen häufig Abendveranstaltungen auf dem Programm. Während ich bei meiner letzten Stelle noch 70 Prozent in der Kundenberatung tätig war, sind meine Aufgaben jetzt praktisch zu 100 Prozent im Bereich Management und Führung angesiedelt.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Mir ist ein kollegialer und kooperativer Umgang wichtig und ich möchte für die Mitarbeitenden ein Vorbild sein. Dazu gehört auch, dass ich mir keine Sonderrechte herausnehme: Alles, was ich mache, dürfen die anderen auch. Und was ich von den anderen nicht will, mache ich selbst auch nicht. Weiter möchte die Mitarbeitenden dazu ermutigen, Neues anzupacken – auch auf die Gefahr hin, dass es mal in die Hosen geht. Leider herrscht heute vielerorts eine Angst vor Fehlentscheiden.

Welche Ziele haben Sie in Ihrer neuen Funktion?

Im Sinne eines guten Teams möchte ich die Zusammenarbeit zwischen dem Front- und dem Backoffice weiter fördern. Dabei geht es mir auch darum, zu vermitteln, dass jede Aufgabe wichtig ist und sich niemand vom anderen abhebt. Status- und Segmentsdenken sollen keine Chance haben.

Sie haben an der FHS St.Gallen den Executive Master of Business Administration absolviert und sind derzeit an Ihrer Masterarbeit. Was konnten Sie mitnehmen aus dieser Weiterbildung?

Einerseits behalte ich die Kurse zu Personalführung und Führungsrolle als besonders spannend in Erinnerung. Anderseits habe ich den Austausch mit den anderen Studierenden sehr geschätzt. Denn dadurch habe ich Einblick in andere Branchen erhalten – ob in den Detailhandel, die Lebensmittelindustrie oder das Ingenieurswesen. Es war interessant zu sehen, dass alle mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Dieser branchenübergreifende Aspekt war ein grosser Pluspunkt. Auch nach der Weiterbildung sind wir miteinander in Kontakt und treffen uns regelmässig.  

Sie sind seit gut 20 Jahren bei der Raiffeisenbank tätig. Was gefällt Ihnen und was weniger?

Bei Raiffeisen habe ich die Chance erhalten, Unternehmer zu sein und die Verantwortung für ein breites Spektrum an Aufgaben zu übernehmen. Weniger Gefallen finde ich an den regulatorischen Vorgaben und den Einschränkungen durch die Gesetzgebung, mit denen sich die Banken seit der Finanzkrise 2008 abfinden müssen. Früher konnte man ein Bankkonto innert kürzester Zeit eröffnen. Heute braucht es dafür mehrere Dokumente, die belegen, dass der Kunde kein Amerikaner ist. Dieser Formularkrieg und dieses Misstrauen im Voraus gehören für mich zur Negativseite.

Die Bankwelt hat in den letzten Jahren einen Imageverlust erlitten. Wie haben Sie das erlebt?

Persönlich habe ich keine Anfeindungen gespürt. Was ich aber sehr wohl mitbekommen habe, ist die rückläufige Nachfrage nach Lehrstellen und die Abnahme an Bewerbungen.  

Ist es für Sie denkbar, der Bank einmal den Rücken zu kehren und in eine andere Branche zu wechseln?

Viel eher kann ich mir vorstellen, beruflich schon vor dem Pensionsalter etwas kürzer zu treten, um mich einer gemeinnützigen Tätigkeit zu widmen. Seit zehn Jahren bin ich Co-Präsident des Fördervereins OstSinn, der sich für nachhaltige Ideen einsetzt. Für mich bedeutet das einen guten Ausgleich und ein Gegenstück zur verwöhnten Finanzwelt. Ich habe in meinem Leben viele Chancen erhalten und es ist mir wichtig, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.