Im b’treff finden Menschen und ihre Geschichten zusammen

Wo früher der Bahnhofvorsteher die Weichen stellte und Reisende vor der Abfahrt ihre Billette kauften, befindet sich heute ein Ort des Ankommens und der Neuorientierung: der b’treff Bütschwil. Sylvia Suter, die diesen seit Beginn leitet, hat sich dafür eingesetzt, dass aus einem zeitlich begrenzten Projekt ein festes Angebot wird. Dabei geholfen hat ihr nicht zuletzt die Weiterbildung Diakonieanimation an der FHS St.Gallen, die ab Frühling als CAS Diakonie-Entwicklung wieder im Programm ist. 

Im ehemaligen Vorsteherhäuschen am Bahnhof Bütschwil weihnachtet es. Selbstgebackene Mailänderli liegen in einer Schale griffbereit und Krippenfiguren bevölkern den Raum. Seit sechs Jahren ist hier der b’treff beheimatet. Das «b» stehe für vieles, das diesen Ort ausmache, sagt Sylvia Suter, die Leiterin. «Ob für begegnen, begleiten oder bewerben.»

Rund 250 Besuche zählt der b’treff pro Monat. Wer den Kontakt zu anderen sucht, findet hier jemanden zum Reden. Wer sich schwer tut, einen Lebenslauf auf Deutsch zu verfassen, bekommt sprachliche Unterstützung. Und wer nur über ein kleines Budget verfügt, kann zu einem Mini-Preis gebrauchte Kleider kaufen. Gut 40 Freiwillige wirken im b’treff insgesamt mit: sei es bei Anlässen wie dem Chlausabend, bei der wöchentlichen Lebensmittelabgabe oder beim normalen Tagesbetrieb.

Viel über Freiwilligenarbeit gelernt

Das Angebot, das sowohl von den evangelischen und katholischen Kirchgemeinden als auch von den politischen Gemeinden Bütschwil-Ganterschwil und Mosnang getragen wird, hat mittlerweile seinen festen Platz. Keine Selbstverständlichkeit. Denn anfangs handelte es sich beim b’treff um ein auf zwei Jahre angesetztes Projekt, an dessen Fortbestand nicht alle glaubten. «Es gab einige, die zweifelten, ob es so etwas überhaupt braucht», erinnert sich Sylvia Suter. Ihr Ziel war es, den b’treff in eine feste Institution zu überführen. Um die Chancen dafür zu erhöhen, meldete sie sich zum CAS Diakonieanimation (heute: Diakonie-Entwicklung) an der FHS St.Gallen an. «Ich habe dort viel über Freiwilligenarbeit und Projektmanagement gelernt», sagt die gelernte Pflegefachfrau Psychiatrie mit zusätzlichen Ausbildungen in Gesprächstherapie und Theologie.

Auch den Austausch mit den anderen Teilnehmenden des Lehrgangs hat die Leiterin des b’treffs als hilfreich empfunden. Genauso wie die praktischen Übungen, die darauf vorbereiteten, etwas Neues anzupacken. «Einmal haben wir gemeinsam geübt, mit Leuten ins Gespräch zu kommen», erzählt sie. Bei der Abschlussarbeit habe ihr zudem das Modul Storytelling geholfen. Unter dem Werktitel «Meine Heimat – Deine Heimat» hat Sylvia Suter rund 30 Geschichten von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft gesammelt. Das Gemeinsame: Alle waren damals in irgendeiner Form mit dem b’treff verbunden – ob als Besuchende oder als Freiwillige, die dort mithalfen.

Offenheit als Geschenk

«Ziel der Arbeit war, einander besser kennenzulernen und den Kontakt zu vertiefen», erklärt Sylvia Suter. Dazu setzte sich die Diakonieanimatorin mit den Leuten an den Tisch und liess sie erzählen, was Heimat für sie bedeutet. Dabei erfuhr sie von Schicksalen und Erfahrungen, die wohl zwischen Tür und Angel kaum so deutlich zum Vorschein gekommen wären. Etwa die Geschichte einer jungen Tibeterin, die aus einer Nomadenfamilie stammt und ihr Heimatland verliess, weil sie wegen Besitzes eines Dalai-Lama-Bildes bereits befürchten musste, politisch verfolgt zu werden. Aber auch Personen, die in der Region aufgewachsen und geblieben sind, gewährten Einblick in ihr Leben und Empfinden. «Jeder konnte selber bestimmen, worüber er oder sie sprechen möchte», erklärt Sylvia Suter. Bei Asylsuchenden konnte sie zum Beispiel beobachten, dass einige ihre Flucht kaum thematisierten, während andere ausführlich darüber berichteten. Manchmal seien Tränen geflossen, so die b’treff-Leiterin. Doch damit konnte sie gut umgehen. «Ich empfand es als grosses Geschenk, dass die Leute so offen sind zu mir», sagt sie.

Obwohl die Abschlussarbeit nun schon ein paar Jahre zurückliegt, gibt es ab und zu noch Leute, die sich das Album «Meine Heimat – Deine Heimat» anschauen wollen. Sobald es die Zeit zulässt, möchte Sylvia Suter weitere Geschichten sammeln und aufschreiben. «Es gibt viele, die gerne aus ihrem Leben erzählen», sagt sie. Und im Album warten noch einige leere Seiten.