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Keine Frage des «Ob», sondern des «Wie»

Kaum ein Arbeitnehmender kann sich im Zeitalter der Digitalisierung den neuen Technologien verschliessen: unabhängig von Beruf und Alter. Gefordert sind aber auch die Betriebe, die ihr Personal entsprechend weiterbilden müssen. Am diesjährigen Update für Personalverantwortliche, welches das Weiterbildungszentrum der FHS St.Gallen im Rahmen der Ostschweizer Bildungs-Ausstellung OBA organisierte, gab es konkrete Beispiele aus der Praxis und neuste Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Der Anlass stand unter dem Titel «Digitales Lernen im Unternehmen – zwischen Wunsch und Realität».

Der Zug fährt los. Aus dem Führerstand sieht man die Landschaft vorbeirauschen. Mit einem gezielten Handgriff betätigt der Lokführer einen Hebel, der sich inmitten einer Vielzahl von Knöpfen und Displays befindet. Die Szene wirkt zwar täuschend echt, ist aber simuliert. Sie stammt aus einem virtuellen Zug, der Mitarbeitenden der SBB zu Lernzwecken dient. Sandra Hutterli, Leiterin Bildung und Digitale Transformation bei der SBB, zeigte am diesjährigen Update für Personalverantwortliche auf, welche Lerntools bei der Schweizerischen Bundesbahn zum Zug kommen. Denn der technologische Wandel rollt gemäss Hutterli über sämtliche Berufsfelder herein. «Wir müssen Mitarbeitende, die wenig schulische Bildung genossen haben, aber hochqualifizierte Arbeit leisten, genauso weiterbringen in der digitalen Transformation wie den Dr. Ingenieur, der sich damit beschäftigt, wie wir noch energieeffizienter fahren können.»

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«Unternehmen sicher durch die Digitalisierung bringen»

Digitalisierung, Vernetzung, Prozesse optimieren – diese Themen stehen im Fokus in den Weiterbildungsmaster, die Stefan Stöckler an der FHS St.Gallen leitet. Im Interview erklärt er den Unterschied zwischen Business Process Engineering und Business Information Management. Das Gespräch führte Chris Rutishauser, Mitarbeiter des FHS-Weiterbildungszentrums.

Stefan Stöckler, welche Trends zeichnen im Bereich der Geschäftsprozesse und im Informations-Management zurzeit ab?

Stefan Stöckler: Aktueller Trend ist die (R)Evolution Industrie 4.0. Das heisst die intensive Vernetzung innerhalb der Unternehmen und über die eigene Grenze hinaus. Die betriebseigenen Systeme «reden» miteinander, unabhängig einer Beteiligung seitens der Unternehmen. Firmen, Partnerfirmen und Kunden sind in einer Weise miteinander vernetzt, wie sie es noch nie waren. Das wiederum bietet Raum für weitere Entwicklungen und Innovationen.

Es entstehen virtuelle Firmen mit neuartigen Geschäftsmodellen, die nur durch diesen Grad an Vernetzung möglich sind. Diese Unternehmen wiederum bilden mit systemübergreifenden Prozessen moderne Services und Produkte, bei denen der Kunde einen Mehrwert bekommt. Damit wären wir wieder bei dem Begriff Industrie 4.0. Die Gestaltung von neuen Geschäftsmodellen, die Planung der Prozesse und der notwendigen IT-Unterstützung sowie Aufbau und Betrieb dieser Systeme stellen eine grosse Herausforderung für unsere Unternehmen dar.

Sie leiten die beiden Weiterbildungsmaster (MAS) in Business Information Management und in Business Process Engineering. Für wen sind die beiden Weiterbildungsmaster besonders geeignet? Bei welchen Erwartungen sind sie speziell zu empfehlen?

Stöckler: Wir fokussieren wir nicht auf eine einzelne Zielgruppe. Der MAS in Business Process Management richtet sich an Teilnehmende, die sich aus dem «Business» heraus näher an die IT bewegen möchten. Der Weiterbildungsmaster Business Information Management eignet sich hingegen eher für Personen, die bereits aus dem IT-Bereich kommen und ihr Wissen vertiefen möchten. Beide Weiterbildungen befähigen die Teilnehmenden, ihre Unternehmen sicher durch die Digitalisierung zu bringen. Sie sind in der Lage die Geschäftsprozesse der Unternehmen IT-technisch zu optimieren und damit konkurrenzfähig zu halten.

Worin unterscheiden sich Ihre beiden Weiterbildungsmaster von anderen Angeboten mit diesen Themenschwerpunkten?

Stöckler (überlegt): Ich denke der Unterschied liegt im Gesamtpaket. Die einzelnen Lehrveranstaltungen sind aufeinander abgestimmt und stehen nicht als einzelne Themenblöcke. Nehmen wir den CAS Requirements Engineering, der Bestandteil beider MAS ist, als Beispiel. In diesem Lehrgang wird in den Fallbeispielen immer wieder die gleiche Ausgangslage von einer anderen Seite betrachtet. Dadurch verknüpfen die Teilnehmenden einzelne Faktoren miteinander und gelangen schlussendlich zu einer Gesamtübersicht der Thematik. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Themen branchenübergreifend sind und auf alle Unternehmensgrössen anwendbar sind. Das zeigt sich auch in der Herkunft der Teilnehmenden.

Was ist Ihnen beim Lehren und Lernen wichtig?

Stöckler: Das Wissen muss theoretisch gut fundiert sein, aber praxisnah, zur direkten Anwendung vermittelt werden. Ich sage immer: Es geht darum «Know-how» für das «Do-now» zu vermitteln. In den Lehrgängen wird der Lernstoff immer wieder in Gruppen direkt mit Fallstudien geübt. In allen CAS werden auch Fallstudien als Seminararbeiten erstellt. In den beiden Lehrgängen CAS Führung und Steuerung der IT und IT-Architekturen und -Technologien wählen die Teilnehmenden das Thema ihrer Fallstudien selber und habe so die Möglichkeit den Schulstoff direkt im eigenen Unternehmen umzusetzen.

Detaillierte Informationen zu den beiden Weiterbildungsmaster (MAS) finden Sie unter MAS in Business Information Management und MAS in Business Process Management.

Zur Person:

Dr. techn. Stefan Stöckler ist Dozent für Wirtschaftsinformatik an der FHS St.Gallen. Er pflegt seine Vorlesungen mit den Worten «Genug gescherzt heute» zu beenden. Im Kindesalter träumte er davon Feuerwehrmann zu werden. Heute ist er neben seiner Lehrtätigkeit im Institut für Informations- und Prozessmanagement IPM-FHS engagiert. Seine beruflichen Kompetenzfelder sind:

  • Requirements Engineering und Requirements Management
  • Business Process Engineering
  • Evaluation und Implementierung von Business Software
  • Big Data, Business Intelligence und Data Warehouse

Barrierefreie Applikationen – Durchgängige Unterstützung im Entwicklungsprozess

In seiner richtungsweisenden Master-Arbeit im Rahmen des Studiums MAS in Business Process Engineering der FHS St.Gallen betrachtet Markus Wegmann den gesamten Software-Entwicklungsprozess. Er entwirft unterstützende Werkzeuge und Checklisten, um die Erstellung barrierefreier Software besser und vor allem umfassend zu verankern.

Zusammenfassung von Dr. Stefan Stöckler, Studienleiter, MAS in Business Process Engineering und MAS in Business Information Management 

Barrieren, welche die Nutzung von Applikationen erschweren, können unterschiedliche Ursachen haben und auf anwendungsbedingten, behinderungsbedingten oder individuellen Einschränkungen basieren. Barrierefreie Systeme sollten so gestaltet werden, dass sie von jeder Person benutzt werden können – allenfalls jedoch mit Hilfe von unterstützenden Technologien, wie z.B. einem Screenreader oder einer Braille-Zeile.

Wer diese Überlegungen bei der Entwicklung einer Software vernachlässigt, schliesst eine Gruppe von Personen aus der Informationsgesellschaft aus. Sich dessen bewusst zu sein, ist enorm wichtig. Die bestehenden, wohl aber auch oft unbekannten Richtlinien beschränken sich jedoch weitgehend auf die barrierefreie Gestaltung von Internetseiten. Das heisst, man könnte diese noch als Vorgaben für allgemeine Applikationen interpretieren. Welche Aspekte im Software-Entwicklungsprozess zu berücksichtigen sind, um eine barrierefreie Software zu erstellen, ist jedoch wenig bis gar nicht definiert.

Anforderungen klar definieren

Der Grundgedanke der Master-Arbeit von Markus Wegmann ist, dass das Ziel einer barrierefreien Applikation über den gesamten Entwicklungsprozess beachtet werden muss. Es reicht nicht aus, wenn Allgemeinplätze wie «Die Applikation muss auch für Menschen mit Sehbehinderung bedienbar sein» als Anforderung deklariert wird. Spezifizierte Funktionaltäten müssen konkret formuliert werden. Beispiele dafür: die Darstellungsgrösse der einzelnen Bildschirminhalte muss stufenlos regulierbar sein. Oder der Bildschirminhalt muss so aufgebaut oder mit einer Schnittstelle versehen sein, dass er automatisiert vorgelesen werden kann.

Der Autor bettet diese und viele weitere Überlegungen in den gesamten Software-Lebenszyklus ein. Er zeigt anschaulich, wie diese wichtigen Themen mit bestehenden, vielfach verwendeten Methoden ohne Umstellungen in den Entstehungs-, Test- und Betriebsprozess von Applikationen eingebaut werden können. In einem eigenen Kapitel stellt Wegmann für jede Phase des Software-Lebenszyklus umfangreiche Checklisten vor. Wer sich an denen orientiert, gewährleistet die Gestaltung der geforderten Barrierefreiheit.

Schon heute können viele Menschen IT-Lösungen aufgrund körperlicher Einschränkungen nur bedingt nutzen. Betrachtet man zudem die demographischen Entwicklungen in Mitteleuropa, dann erkennt man leicht wie wichtig und aktuell dieses Thema ist. Deshalb wünscht sich der Autor, dass sich möglichst viele Software-Häuser und App-Entwickler mit dieser Thematik befassen. «Barrierefreiheit während des gesamten Entwicklungsprozesses durchgängig zu beachten ist schlussendlich immer günstiger, als nachträglich zu versuchen Hilfsmittel in die Software einzubauen», so sein Fazit.

Zur Person: Markus Wegmann (49) ist Diplomierter Wirtschaftsinformatiker und arbeitet als Provider Manager in der IT-Branche. Requirements erheben und vertraglich mit Lieferanten vereinbaren ist ein Teil seiner Tätigkeit. In seiner Masterarbeit im Rahmen seines Weiterbildungsstudiums MAS in Business Process Engineering hat er sich bewusst mit dem Thema Barrierefreiheit beschäftigt, da diesem in der Softwareentwicklung oft zu wenig Beachtung geschenkt wird.