Als vereinte Kraft gegen die Ohnmacht

Am ersten Community-Anlass zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht an der FHS St.Gallen tauschten sich Fachleute über das Thema «Macht und Ohnmacht – ein täglicher Balanceakt in der KESB-Arbeit» aus. Die Essenz: Der Umgang mit Menschen bringt eine gewisse Komplexität mit sich, die sich nicht abwenden lässt. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, Ohnmachtsgefühle zu verhindern. Der Schlüssel liegt unter anderem darin, eine gemeinsame Grundhaltung zu entwickeln und interdisziplinär verträgliche Lösungen anzustreben.

Das Wohl und den Schutz hilfsbedürftiger Personen sicherstellen: So lautet kurz zusammengefasst die Aufgabe der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Im Alltag sind die Lösungen jedoch selten einfach. KESB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sehen sich immer wieder mit Situationen konfrontiert, in denen ihre Handlungsmöglichkeiten begrenzt sind und die beabsichtigte Wirkung verfehlt wird. Das bedeutet nicht nur für einzelne Mitarbeitende eine Herausforderung, sondern auch für die ganze Behörde, zumal diese seit ihrer Gründung vor sechs Jahren einem hohen medialen Interesse ausgesetzt ist.  

KESB-Arbeit gleicht einem täglichen Balanceakt zwischen Macht und Ohnmacht. Diesem Thema widmete sich der erste Community-Anlasses Kindes- und Erwachsenenschutz, zu dem rund 20 KESB-Mitarbeitende an der Fachhochschule St.Gallen zusammenfanden. «Ziel ist es, Inputs aus der Fachszene für die Fachszene zu generieren und den Austausch untereinander zu fördern», sagte Regula Flisch in ihrer Begrüssungsrede. Sie leitet an der FHS St.Gallen verschiedene Einzelseminare sowie eine Seminarreihe zum Thema Kindes- und Erwachsenenschutz. In den vergangenen zwei Jahren haben rund 140 Personen an diesen Weiterbildungsangeboten teilgenommen.

«KESB-Arbeit ist Mannschaftssport»

Was bedeuten Macht und Ohnmacht und was ist mit dem Balanceakt dazwischen gemeint? Diese Frage erörterte Florian Windisch, Dozent achbereich Soziale Arbeit an der FHS St.Gallen, aus einer rechtsphilosophischen Perspektive. Die KESB verfüge zweifelsohne über eine gewisse Macht, so Windisch. Diese bestehe etwa darin, in eine Situation einzugreifen. Dieser Möglichkeit gegenüber stünden jedoch faktische Hürden, etwa in Form beschränkter Mittel oder der Voraussetzungen des (inter-) institutionellen Settings sowie normativer Vorgaben.

Teilnehmende tauschen sich an Tischdiskussionen über ihre Erfahrungen aus.

Fredy Morgenthaler, Coach, Supervisor und Organisator BSO, konzentrierte sich in seinem Inputreferat vor allem darauf, wie die Ohnmacht verhindert werden kann. Ein erster Schritt besteht für ihn darin, die Komplexität, die der Umgang mit Menschen mit sich bringt, als Fakt anzuerkennen und sich davon nicht irritieren zu lassen. «Die Wirkmacht ist manchmal begrenzt – selbst bei bestem Willen und guter fachlicher Strategie.» Trotzdem könne man Ohnmachtsgefühlen mit konkreten Massnahmen entgegenwirken. Eine zentrale Massnahme sieht Fredy Morgenthaler darin, gemeinsame Grundhaltungen, Methoden und Vorgehensweisen zu definieren und anzuwenden – etwa im Umgang mit hochstrittigen Eltern. «KESB-Arbeit ist Mannschafts- und nicht Einzelsport», sagte er. «Es darf nicht sein, dass das, was die Nutzerinnen und Nutzer bekommen, vom zuständigen Behördenmitglied abhängt.»

Einigkeit gegen innen und aussen

Dass es zwar Gestaltungsspielraum geben muss, eine einheitliche Grundhaltung jedoch unabdingbar ist, darin waren sich auch die Teilnehmenden einig, wie sich im Anschluss an die Tischdiskussionen herausstellte. Aber was ist entscheidend für den Mannschaftsgedanken? Es brauche Gefässe, um eine Gesprächs- und Konfliktkultur zu entwickeln und die eigene Arbeit zu reflektieren, hielt eine Gruppe fest. Aber nicht nur innerhalb, sondern auch ausserhalb der Behörde gilt es, an einer guten Zusammenarbeit zu arbeiten.  Nebst der Tatsache, dass die KESB oft mit divergenten Erwartungen und Kritik aus dem sozialen Umfeld von Betroffenen konfrontiert ist, stösst sie auch bei Vertretenden anderer Fachdisziplinen – sei es die Psychiatrie oder die Schule – nicht selten auf eine Grundskepsis. Ziel ist es deshalb, auch dort Vorurteile und Berührungsängste abzubauen und Lösungen anzustreben, die für alle Disziplinen verträglich sind.