Alfred Eschers Handy und die Prüfung mit der Maus

Ob Flipped Classroom oder Gamebased Learning: Die Digitalisierung prägt die Bildungswelt in zunehmendem Masse. Das Weiterbildungszentrum der FHS St.Gallen widmete seinen ersten Konvent in diesem Jahr deshalb dem technologiebasierten Lehren und Lernen und informierte in diesem Zusammenhang über das Projekt «Online-Prüfungen». Gastreferent Manfred Jurgovsky, Leiter des Education Lab der PH Zug, gewährte zuvor Einblicke in seine langjährige Erfahrung als Entwickler digitaler Lern- und Lehrmedien.   

Ein Schüler findet das IPhone von Alfred Escher. In dessen Mailaccount stösst er auf eine Flut gehässiger Nachrichten. Ein wütender Arbeiter, der tagtäglich im Gotthardtunnel schuftet, wirft dem Schweizer Politiker und Eisenbahnunternehmer an den Kopf, er habe keine Beiträge an die Sozialversicherungen bezahlt. Der Schüler stöbert weiter, öffnet nun das Facebook-Profil des bärtigen Mannes, der als Mitbegründer der modernen Schweiz gilt. Dort bekommt er Fotos von dessen Wohnort und Wirkungsstätten zu Gesicht. Klick um Klick erfährt der Schüler Neues über Alfred Escher und den geschichtlichen sowie gesellschaftspolitischen Kontext, in dem sich sein Leben abspielte. Natürlich hatte Escher, der vor 200 Jahren in Zürich geboren worden ist, noch kein Handy. Und auch das Email-Zeitalter erlebte er nicht mehr. Das eben beschriebene Szenario ist denn auch simuliert – von der App «A Touch of History». Sie verwandelt das eigene Smartphone in jenes einer historischen Persönlichkeit. Die App stammt aus der Küche des Education Lab (EdLab) der PH Zug. Dessen Leiter, Manfed Jurgovsky, stellte einige Projekte am Konvent des Weiterbildungszentrums der FHS St.Gallen vor.

Manfred Jurgovsky vom EdLab der PH Zug kennt die Trends im Bereich des technologiebasierten Lehrens und Lernens.

In seinem Vortrag über «Kompetenzentwicklung durch technologiebasiertes Lehren und Lernen» führte er zudem vor Augen, dass bereits vor gut 50 Jahren die ersten Vorläufer der heutigen Trends existierten, wenn auch noch in analoger Form. So kam in den 1970er-Jahren das Teleteaching auf. «Das ortsunabhängigie Lehren und Lernen nahm damit seinen Anfang», so Jurgovsky. In den 1980er sei das Computer Based Learning aktuell gewesen, jedoch mit «teuren Produktionen, die sich nicht jeder leisten konnte». In den 1990er-Jahre erschienen die ersten Blogs und Webseiten. «Vieles war noch handgestrickt», führte Jurgovsky aus. Das habe sich dann aber in den 2000er-Jahren geändert – mit den Content Management Systemen. Die Nutzerinnen und Nutzer konnten damit ohne viel technologisches Expertenwissen ihre eigenen Inhalte erfassen und anderen zur Verfügung stellen. Auch das Zeitalter der Sozialen Medien, die nicht zuletzt zum Lernaustausch genutzt werden, brach an. Einen Trend der heutigen Zeit sieht Manfred Jurgovsky unter anderem in den sogenannten Open Educational Resources, OER. Damit gemeint sind Bildungsressourcen, die auf der Basis offener Lizenzen frei verwendet und verändert werden dürfen.

Wissen online anwenden und überprüfen

Auch das Weiterbildungszentrum der FHS St.Gallen setzt punkto Lehren und Lernen auf neue Technologien. Im Rahmen der Update-Initiative konnten Weiterbildungsverantwortliche Vorschläge einreichen, wie sie Lehrinhalte mittels digitaler oder didaktisch überarbeiteter Methoden aufbereiten wollen. Man habe drei von sechs Anträgen bewilligt, erläuterte Rubén Rodriguez Startz, Leiter des Weiterbildungszentrums, zu Beginn des Konvents. Im CAS Medienpädagogik lautet das Stichwort «Flipped Media Didactics». Hierbei geht es um multimediale Lehr- und Lernsettings nach der Flipped Classroom-Konzeption, wobei die Inhalte im angeleiteten Selbststudium vorbereitet werden und der Präsenzunterricht zur Anwendung dient. In den Zertifikatslehrgängen CAS Corporate Banking und CAS Wealth Management kommen im Basisstudium neu Online-Prüfungen zum Einsatz. Chris Rutishauser, Mitarbeiter Verkaufsmedien am Weiterbildungszentrum der FHS St.Gallen, hat das Projekt von Anfang an begleitet und gewährte den Teilnehmenden des Konvents einen Einblick. Das System sei nun ausgetestet, sagte er. «Es kann ab jetzt auch in den anderen Lehrgängen angewendet werden.» Den Dozierenden und Lehrbeauftragten sei es möglich, die Inhalte bereitzustellen und direkt anhand verschiedener Fragetypen zu erfassen.

Chris Rutishauser vom Weiterbildungszentrum der FHS St.Gallen begleitet das Projekt «Online-Prüfungen» seit Beginn.

Georg Rupf, Lehrgangsleiter des CAS Corporate Banking, zieht ein positives Fazit: «Die Online-Prüfungen gibt es auch als Übungsvariante, womit die Teilnehmenden ihr Wissen anwenden und überprüfen können.»

Maschine als Gegner?

Was bringt die Digitalisierung noch? Schreitet sie ungehindert voran? Diesen und weiteren Fragen widmete sich FHS-Rektor Sebastian Wörwag in seinem Vortrag zum Thema «Alles #digital – oder lieber Dosentelefon». Unter demselben Titel fand vor kurzem das Schweizer Bildungsforum der FHS St.Gallen statt. Es gebe Anzeichen einer analogen Gegenbewegung, sagte Wörwag am Konvent. «Menschen wollen wieder mit echten Menschen reden.» Eine eigene Studie kam gar zum Schluss, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich wünschen, weniger mit IT zu tun zu haben. Zudem lasse die Digitalisierung auch die Sorge aufkommen, dass der Mensch irgendwann durch die Maschine ersetzt werde, so Wörwag.

Und was bedeutet dies für die Weiterbildung? Bei der Abschlussdiskussion, wozu alle Anwesenden eingeladen waren, kristallisierte sich heraus:  Digitale Methoden eignen sich hervorragend, Wissen auf ansprechende Weise zu verinnerlichen, zu testen und zu prüfen. Um sich kritisch mit dem Stoff auseinanderzusetzen, braucht es jedoch nach wie vor einen Austausch unter den Teilnehmenden und den Dozierenden. Für Manfred Jurgovsky müssen sich Digitales und Analoges nicht ausschliessen, unabhängig in welchem Bereich. «Die Maschine wird oft als Gegner empfunden. Sie kann das Analoge aber gut ergänzen.»