Lassen Sie Ihre Rede für sich sprechen

Das Publikum klatscht verhalten. Ab und zu unterbricht jemand sein gut gemeintes Applaudieren, um sich beim Gähnen die Hand vor den Mund zu halten. Kennen Sie diese Situation? Ist es Ihnen auch schon so ergangen, dass sie sich gefragt haben, was die Person vorne am Rednerpult gerade gesagt hat, obwohl Sie ihr eine gefühlte Stunde zugehört haben? Gute Rednerinnen und Redner fallen nicht vom Himmel. Es sei denn, es handle sich um ein rhetorisch versiertes Staatsoberhaupt, das vom Podest stürzt oder eine wortgewandte Politikerin, die eine Ansprache fürs Fernsehen während eines Gleitschirmflugs hält. Kurzum: Gut reden muss und kann man lernen. Die folgenden Tipps sollen Ihnen dabei helfen.

Tipp 1: Sprechen Sie in Bildern

«Eine Rede zu halten ist wie ein Schwumm über einen Fluss: Um auf der gegenüberliegenden Seite anzukommen, muss man auch mal gegen den Strom paddeln.» Von diesem Vergleich, den ich spontan erfunden habe, können Sie halten, was Sie wollen. Aber ein Ziel hat er erfüllt. Sie haben sich etwas vorgestellt: Wasser, einen Strand aus Steinen, reissende Fluten, vielleicht auch etwas anderes. Das ist es, was zählt.  Tatsächlich bleiben Bilder – es können auch Bilder aus Worten sein – besonders gut beim Publikum hängen. Den Rednerinnen und Rednern hilft die bildhafte Sprache ausserdem dabei, Abstraktes herunterzubrechen und der Rede eine lockerere Note zu verleihen. Um auf gute Bilder zu kommen, reicht es, wenn Sie Ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Natürlich gibt es auch Bücher, die konkret dazu anleiten. Wie auch immer: Sorgen Sie dafür, dass sich das Publikum von dem, was Sie vermitteln möchten, ein Bild machen kann.

Tipp 2: Machen Sie Beispiele

Vermeiden Sie es, ein Thema nur aus einer allgemeinen Flughöhe darzustellen. Bringen Sie Beispiele. Das macht die Rede für die Zuhörerinnen und Zuhörer interessanter und kurzweiliger. Und es bleibt mehr davon hängen, denn an Beispiele können sich meist alle erinnern. Denn sie sind ebenfalls ein Mittel, um Bilder auszulösen. Wenn Sie also beispielsweise über Management und Führung reden, dann geben Sie dem Publikum ruhig Einblick in Situationen, die Sie oder andere erlebt haben. Damit unterstreichen Sie ganz nebenbei auch Ihre Erfahrung ­– vielmehr, als wenn Sie aus Fachbüchern zitieren, die sich jeder beschaffen kann.

Tipp 3: Verwenden Sie rhetorische Stilmittel

«Milch macht müde Männer munter». Diesen Satz – möge er stimmen oder nicht – kennt jedes Kind. Warum? Es handelt sich um eine Alliteration. Ein rhetorisches Stilmittel, das besonders leicht Eingang ins Gehör und Gehirn findet. Alliterationen wecken nicht nur müde Männer auf, sondern im Idealfall das ganze Publikum. Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Stilmittel. Kennen Sie schon das Totum pro parte? Vielleicht haben Sie es schon einmal unbewusst benutzt. Es versteckt sich in Sätzen wie «Bern hat entschieden» oder «Deutschland ist Weltmeister». Hier steht das Ganze für einen Teil, womit man etwas nicht nur kurz und knapp sagen kann, sondern auch noch besonders eindringlich. Eine Liste mit den wichtigsten rhetorischen Stilmitteln finden Sie unter diesem Link.

Tipp 4: Sagen Sie es einfach

Ein Text, der schriftlich gut daherkommt, tut es im Mündlichen nicht zwangsläufig. Den Zuhörenden ist es im Vergleich zu Lesenden nicht möglich, einfach zurückzuspringen, wenn sie etwas nicht auf Anhieb verstehen. Die gesprochene Sprache sollte also einfacher sein als die geschriebene. Vermeiden Sie deshalb verschachtelte Sätze – ob sie diese nun von einem Blatt ablesen oder auswendig gelernt haben. Und werfen Sie nicht mit Fachwörtern um sich. Wer sich zu umständlich ausdrückt, wirkt nicht unbedingt gebildet, sondern eher eingebildet. Die Kunst ist nicht, etwas möglich kompliziert zu sagen, sondern Kompliziertes möglichst einfach und verständlich herüberzubringen.

Tipp 5: Gönnen Sie sich und den anderen eine Pause

«Ähms» und «Ähs» kennt jeder. Aber niemand mag diese Verlegenheitslaute besonders. Verwendet sie die Rednerin oder der Redner inflationär, ist das Zuhören schon fast eine Tortur. Gerade Politgrössen oder Führungskräfte, von denen man eine gewisse Sicherheit im Auftreten erwartet, büssen in solchen Fällen schnell an Glaubwürdigkeit ein. Doch in gewisser Weise ist jeder Mensch anfällig auf diese Marotte. Denn das Gehirn muss in Sekundenschnelle Wörter sortieren, die dann über die Lippen kommen sollen. Die «Ähms» und «Ähs» sind somit eine weit verbreitete Verzögerungstaktik. Setzen Sie bewusst Pausen, statt mit einem «Ähm» gleich fortfahren zu wollen. Das verschafft Ihnen Zeit. Und der Zuhörende ist sogar froh darum – ähnlich wie jemand, der sich bei einer Wanderung kurz auf einer Bank ausruhen kann. Nicht zuletzt verstärken Pausen die Wirkung des Gesagten. Aber versteifen Sie sich nicht zu sehr darauf, «Ähms» und «Ähs» zu vermeiden. Entspannen Sie sich stattdessen, indem Sie sich vor Ihrer Rede ein positives Erlebnis in Erinnerung rufen. Mehr dazu finden Sie unter diesem Beitrag.

Tipp 6: Wählen Sie einen süffigen Einstieg

Damit ist nicht gemeint, dass Sie den Apéro vorziehen sollen. Überraschen Sie Ihr Publikum, indem Sie zu Beginn einen Witz erzählen, ein Bild einblenden oder einen Zeitungsausschnitt hervorzaubern, der zum Thema passt. Wenn Sie sich damit gar nicht wohlfühlen, können Sie natürlich auch bei der klassischen Begrüssung bleiben. Vermeiden Sie es aber, das Publikum mit langweiligen Floskeln wie «Ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind» oder «Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit» einzudecken. Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Produkt verkaufen. Würden Sie die Werbung mit dem Satz beginnen «Ich freue mich, Ihnen xy vorzustellen»? Wahrscheinlich nicht. Es lohnt sich also, in einen guten Beginn zu investieren. Der Schriftsteller Mark Twain sagte einst: «Eine gute Rede hat einen guten Anfang und ein gutes Ende – und beide sollten möglichst nah beieinander liegen.» Tipps für einen packenden Einstieg und Schluss gibt es hier.

Tipp 7: Hören Sie anderen zu

Wenn Sie besser schreiben wollen, hilft es, die Texte anderer bewusst zu lesen. Genau dasselbe gilt für eine Rede. Nur, dass Sie sich dabei auf die Reden anderer konzentrieren und diese analysieren. Welche Sprache verwendet die Rednerin? Wie gestaltet Sie den Einstieg? Welche Beispiele erwähnt sie? Hören Sie das nächste Mal genau hin, wenn Politikerinnen und Politiker das Rednerpult betreten. Was gefällt Ihnen, was nicht? Kupfern Sie sich für Ihre Rede das Gute ab und versuchen Sie, das weniger Gute zu vermeiden. Vielleicht finden Sie sogar ein Vorbild, an dem Sie sich orientieren und von dem Sie lernen können.

Wie immer gilt: Probieren geht über Studieren.

Ihr Dr. Klüger