«Von der Praxis für die Praxis»

Die Anforderungen an Mitarbeitende von Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden sind hoch. Wer erfolgreich agieren will, muss viele Grundlagen aus unterschiedlichen Disziplinen kennen und immer auf dem neusten Stand bleiben. Für die FHS St.Gallen Grund genug, zusammen mit Präsidentinnen und Präsidenten von Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden aus der Ostschweiz ein massgeschneidertes Weiterbildungsangebot zu lancieren.

Das Weiterbildungszentrum der FHS St.Gallen (WBZ-FHS) bietet schon seit längerem den Zertifikatslehrgang Brennpunkt Kindesschutz an. In Lehrgangsleiterin Regula Flisch reifte jedoch schon länger die Idee, parallel dazu eigens für Mitarbeitende von Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) ein Weiterbildungsangebot zu konzipieren. «Ich selber weiss aber nicht, welche Themen für KESB-Fachleute besonders wichtig sind, deshalb wollte ich sie direkt in die inhaltliche Konzeption einer Seminarreihe einbinden», erzählt sie. Bei Reto Eugster, dem ehemaligen Leiter des WBZ-FHS, stiess sie mit dieser Idee auf offene Ohren. Zusammen luden sie vor gut einem Jahr Präsidentinnen und Präsidenten von Ostschweizer KESB zu Frühstücks-Workshops ein. Dies mit dem Ziel, aus erster Hand zu erfahren, welche Themen eine Weiterbildung für KESB-Fachleute beinhalten muss. 

Inhalte gemeinsam festgelegt
Einer der dieser Einladung folgte, ist Peter Dörflinger, Präsident der KESB Appenzell-Ausserrhoden. «Als Leiter einer KESB bin ich sehr daran interessiert, dass meine Mitarbeitenden gut aus- und weitergebildet sind. Bisher gab es keine entsprechenden Angebote auf dem Bildungsmarkt. Wir mussten neue Mitarbeitende jeweils aufwändig in die Grundlagen und übergeordneten Themen einarbeiten.» Zusammen mit anderen KESB-Vertreterinnen und -Vertreter nutzte er die Möglichkeit, seine Bedürfnisse und Wünsche einzubringen. In der Folge erarbeitete eine Arbeitsgruppe des WBZ-FHS einen Vorschlag für eine Seminarreihe. Diese ist inzwischen angelaufen. In Grundlagen- und Vertiefungsseminaren beschäftigen sich die Teilnehmenden mit Rechtsgrundlagen, Verfahrensrecht, Textarbeit, Kommunikation, Gesprächsführung und psychologischen Aspekten. Wer nicht die ganze Seminarreihe besuchen möchte, kann auch nur einzelne Kurse absolvieren.

KESB-Fachleute dozieren
Sowohl Dörflinger wie auch Flisch sind sehr zufrieden mit der gemeinsamen Konzeption des Weiterbildungsangebots. Der Grundgedanke «von der Praxis für die Praxis» habe sich bewährt, sind sich beide einig. Dörflinger unterrichtet sogar selber in der Seminarreihe. Ihm liegt besonders der Themenstrang «Sprache und Text» am Herzen: «KESB-Mitarbeitende können zwar alle schreiben. Wichtig in unserem Job ist aber, dass wir adressaten- und kontextgerecht schreiben. Nur so werden wir verstanden.» Und dies sei Voraussetzung für Akzeptanz bei den Betroffenen. Neben Dörflinger engagieren sich noch weitere Personen aus den KESB-Reihen im Unterricht an der FHS St.Gallen.

Regula Flisch verrät: «Ich plane bereits weitere Seminarangebote für Berufsbeiständinnen und -Beistände. Auch hier strebe ich eine sehr enge Zusammenarbeit an. Ich möchte von ihnen genau wissen und verstehen, welche Inhalte die Seminare abdecken müssen, damit es für sie von Nutzen ist.» Sie selber sehe sich als Vermittlerin von Wissen und Methoden. Was aber vermittelt werden soll, müsse und wolle sie von den Berufsfachleuten erfahren.

Zu den Personen

Rechtsanwalt Peter Dörflinger hat an der Universität St.Gallen Recht studiert und führte während elf Jahren ein eigenes Anwaltsbüro. Seit September 2016 ist er Präsident der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Appenzell Ausserrhoden. Zuvor leitete er die Vormundschaftsbehörde des Kreises Chur und die KESB Nordbünden. Neben seiner Tätigkeit bei der KESB unterrichtet er im Weiterbildungszentrum der FHS St.Gallen in der Seminarreihe Kindes- und Erwachsenenschutz zum Thema adressaten- und kontextgerechtes Texten.

Zu den beruflichen Kompetenzfeldern von Regula Flisch, Dozentin und Projektleiterin im Institut für Soziale Arbeit IFSA-FHS, gehören Aufwachsen und Bildung sowie Integration und Arbeit. Sie leitet die beiden Weiterbildungen CAS Brennpunkt Kindesschutz und die Seminarreihe Kindes- und Erwachsenenschutz an der FHS St.Gallen. Mit der partizipativen Konzeption der neu lancierten Seminarreihe beweist Flisch, dass sie ihr Credo «nöd rede, sondern mache» selber lebt.